8.3.2023, 19.00 Uhr bEGEgnungen 2: „Geschlechtergerechtigkeit durch Gendersprache?!“
Geschlechtergerechtigkeit ist ein zeitloses und Kulturkreisgrenzen überschreitendes Problem. Dahinter steht die Beobachtung, dass Geschlechterstereotype, religiöse Vorstellungen von Frauen- und Männerrollen, gesellschaftliche oder gesetzliche Richtlinien sowie Gewohnheiten zu Benachteiligungen oder sogar Diskriminierungen führen. Inzwischen wurde wissenschaftlich untersucht, dass dabei auch Sprache eine Rolle spielt, worauf die Möglichkeiten und Notwendigkeiten veränderter Sprache für Gleichbehandlung vielerorts diskutiert werden.
Nicht zuletzt im Erzgebirge erscheint die „Genderdebatte“ politisch und theologisch aufgeheizt. Vorgeschlagene sprachliche Veränderungen werden nicht selten teilweise oder vollständig als ideologisch begründet gesehen und abgelehnt. Es gibt zum Verständnis der jeweiligen Absichten und Positionen offenbar einen hohen Informations- und Gesprächsbedarf.
Diese Gemengelage ist Inhalt der bEGEgnung „Geschlechtergerechtigkeit durch Gendersprache?!“ am internationalen Frauentag 2023 (um 19 Uhr) in der Evangelischen Schulgemeinschaft Erzgebirge.
Die Journalistin Katalin Valeš führte in einem Referat ins Thema ein, stellte dar, warum es aus ihrer Sicht und auf Grundlage wissenschaftlicher Studien zum Thema Sinn mache, gendersensible Sprache zu nutzen und welch vielfältige Möglichkeiten es dafür gibt. In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden vielfältige Argumente ausgetauscht, was unter „Gendern“ überhaupt zu verstehen sei. Vor- und Nachteile verschiedener Varianten gendersensibler Sprache wurden diskutiert. Konsens war dabei, dass Sprache sich darum bemühen muss, Realitäten so präzise wie möglich abzubilden. Deutlich wurde, dass pauschale Gendersprachregeln dafür ungeeignet scheinen.
Mit dem Eintritt des Publikums in die Diskussion wurde das Thema noch kontroverser zur Sprache gebracht. Grundsätzliche Bedenken wurden geäußert, ob Geschlechtergerechtigkeit überhaupt als Zielkategorie im Sinne christlichen Gottes- und Menschenbildes tauge und die Veränderung von Sprache als Mittel dafür ein probates, von der Bibel gedecktes Mittel sei. Zweifel an den im Podium geäußerten Beweggründen für gendersensibler Sprache (z.B. Sichtbarmachen, Gleichbehandlung) wurden geäußert. Dagegen standen sehr persönliche Statements, z.B. von Frauen, die sich – entgegen der üblichen Praxis des generischen Maskulinums – wünschen, die eigene Identität sprachlich stärker repräsentiert zu sehen.
Immer wieder wurde auch darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, gegensätzliche Überzeugungen anzuhören und auszuhalten. Dies gelang trotz der benannten Kontroversen über weite Strecken gut.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Leistungskurs Musik, Klasse 11. Eingangs musizierten sie das altfranzösische Madrigal „Il est bel et bon“ aus dem späten 16. Jahrhundert von Pierre Passerot, das Geschlechterrollen humorvoll aufs Korn nimmt sowie die Pop-Ballade „Try“ von Colbie Caillat, die ermutigt, die eigene Identität anzuerkennen und anderslautenden Erwartungen zu widerstehen.
Auch nach der Veranstaltung wurde intensiv weiter diskutiert: wohl alle Anwesenden sind Meinungen, Argumenten und Weltanschauungen bEGEgnet, die nicht den eigenen entsprechen. Dies zu ermöglichen, ist das große Potenzial dieses Veranstaltungsformats.
Mitwirkende:
Moderation: Thomas Kauz
Referat: Katalin Valeš, Journalistin, Sozialwissenschaftlerin, hat als Referentin das Portal Genderleicht.de mitaufgebaut
Katrin Wallrabe, Gleichstellungsbeauftragte der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen
Dr. Gabriele Lorenz, Leiterin des Kulturamts der Stadt Radebeul
Paula Gerlach, Redaktionsleiterin der EGE-Schülerzeitung „Newspager“
Klaus Mehlhorn, Vorstandsmitglied im Schulverein der EGE
Musik-Leistungskurs KS11 der Evangelischen Schulgemeinschaft Erzgebirge, Leitung: Dr. Daniel Zwiener